Im Herzen von Europa

Netz

Versorgungssicherheit: Es braucht jetzt Lösungen

Privatrechtliche Vereinbarungen sind langfristig kein adäquater Ersatz für ein Stromabkommen

Autorin: Stephanie Bos


Am Mittwoch, 13. Oktober wurde der Bundesrat über zwei Berichte zum Thema Versorgungssicherheit im Strombereich informiert. Der erste Bericht wurde von der Eidgenössischen Elektrizitätskommission (ElCom) erstellt. Er beschreibt Massnahmen, mit denen die Netz- und Versorgungssicherheit kurz- bis mittelfristig erhöht werden können. Swissgrid hat ihre Expertise in diesen Bericht einfliessen lassen. Der zweite Bericht analysiert die Auswirkungen von verschiedenen Zusammenarbeitsszenarien zwischen der Schweiz und der EU. Die Ergebnisse beider Berichte sind keine Überraschung. Swissgrid betont seit Jahren die Dringlichkeit eines Stromabkommens mit der EU.

Als Stromdrehscheibe im Herzen Europas leistet die Schweiz einen Beitrag zur Sicherheit der europäischen Stromversorgung.

 
Physisch ist die Schweiz wie kein anderes Land in das europäische Verbundnetz integriert. Sie ist mit 41 Grenzleitungen eng mit ihren Nachbarländern vernetzt. Als Stromdrehscheibe im Herzen Europas leistet sie einen Beitrag zur Sicherheit der europäischen Stromversorgung. Der Verband der europäischen Übertragungsnetzbetreiber ENTSO-E und die europäische Regulierungsbehörde ACER haben bekräftigt, dass die Schweiz für die Netzsicherheit in Europa unabdingbar ist. Doch die gute Zusammenarbeit ist gefährdet. Mit dem Abbruch der Verhandlungen zum institutionellen Rahmenabkommen ist auch ein Stromabkommen mit der EU vom Tisch. Swissgrid erarbeitet privatrechtliche Grundlagen für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit.

Technische Vereinbarungen mit den Nachbar-ÜNB

Im März 2019 haben alle kontinentaleuropäischen Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) den Synchronous Area Framework Agreement (SAFA) unterzeichnet. SAFA enthält eine Sammlung von Grundsätzen und Regeln für den Betrieb des kontinentaleuropäischen Synchrongebiets. Es werden unter anderem generelle Zusammenarbeitsregeln unter den ÜNB definiert. Aktuell ist Swissgrid bemüht, auf Basis der Bestimmungen des SAFA technische Vereinbarungen mit den Übertragungsnetzbetreibern der Kapazitätsberechnungsregionen (Capacity Calculation Regions) CORE (Zentraleuropa) sowie Norditalien abzuschliessen. Diese Vereinbarungen müssen dann noch von den nationalen Regulatoren der ÜNB freigegeben werden. Bezüglich Redispatch hat Swissgrid an allen Grenzen, also mit Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich bilaterale Vereinbarungen getroffen. Bei Italien ist Swissgrid über dies hinaus in alle regionalen Prozesse involviert.

Zusammenarbeit mit der EU
Die Zusammenarbeit mit der EU ist für die Versorgungssicherheit der Schweiz unerlässlich

Drohender Ausschluss

Zudem nimmt Swissgrid an europäischen Plattformen für Regelenergie teil. Diese Plattformen vereinfachen die Beschaffung von Regelenergie, der Markt ist grösser und die Preise deshalb tiefer, zudem ist die Schweiz in die Kapazitätsberechnungen involviert. Ohne Stromabkommen ist für Swissgrid aber der Zugang zu diesen wichtigen Kooperationen gefährdet. Eine Mitwirkung ist derzeit noch möglich an der internationalen Kooperation für Primärregelreserven und im Netzregelverbund (International Grid Control Cooperation, IGCC), in dem die Ungleichgewichte zwischen Erzeugung und Verbrauch der verschiedenen Regionen saldiert werden. Die Teilnahme an den Plattformen wie TERRE, MARI oder PICASSO ist jedoch stark gefährdet. Die Folgen: eine geringere Sicherheit der Netzstabilität und höhere Beschaffungskosten für Regelenergie.

Grenzen der Handlungsmöglichkeiten

Auf technischer Ebene tut Swissgrid alles, was nötig ist, um den sicheren Systembetrieb aufrechtzuerhalten. Privatrechtliche Vereinbarungen unter Übertragungsnetzbetreibern stellen aber langfristig keinen adäquaten Ersatz für ein Stromabkommen dar. Swissgrid stösst mit den Lösungen auf technischer Ebene an die Grenzen ihrer Handlungsmöglichkeiten. Ein Stromabkommen mit der EU wäre deshalb nach wie vor die effizienteste und wirksamste Lösung für eine zuverlässige Energieversorgung der Schweiz.

Ohne Rahmenabkommen ist die EU nicht bereit ein Stromabkommen abzuschliessen. Daher erscheint es sinnvoll, ein rein technisches Abkommen, ohne die wirtschaftlichen Aspekte, anzustreben. Dieses könnte die für die Netzsicherheit relevanten Fragestellungen regeln. Technisch und konzeptionell wäre ein solches Abkommen mit dem entsprechenden politischen Engagement umsetzbar. Es hängt aber primär vom Willen der EU ab, überhaupt auf Verhandlungen eines solchen Abkommens einzutreten.



Autorin

Stephanie Bos
Stephanie Bos

Communication Manager


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