Handel mit elektrischer Energie findet sowohl schweizweit als auch gesamteuropäisch statt. Das Schweizer Übertragungsnetz ist Teil des europäischen Verbundnetzes und damit ist die Schweiz eng in den europäischen Stromhandel eingebunden. Um einen effizienten Stromhandel und gleichzeitig einen sicheren Netzbetrieb zu ermöglichen, kommt den Übertragungsnetzbetreibern und damit auch Swissgrid eine Schlüsselfunktion zu. Denn der Stromhandel wird nicht nur durch kommerzielle, sondern auch durch physikalische Aspekte bestimmt.
Die physikalischen Grenzen der Netzinfrastruktur wie Leitungen und Transformatoren bestimmen, wie viel Übertragungskapazität für den internationalen Stromhandel an den Schweizer Grenzen vorhanden ist. Nicht immer ist es den Übertragungsnetzbetreibern möglich, die durch den Handel nachgefragte Kapazität zur Verfügung zu stellen. Um Netzengpässe zu vermeiden und um einen diskriminierungsfreien Zugang sicherzustellen, erfolgt die Vergabe der Kapazität an der Schweizer Grenze mittels Auktionen.
NTC – so viel steht zur Verfügung
Die Net Transfer Capacity (NTC) ist die maximale Übertragungskapazität, welche die Übertragungsnetzbetreiber dem grenzüberschreitenden Handel zur Verfügung stellen können. Es ist Aufgabe von Swissgrid und den Übertragungsnetzbetreibern der angrenzenden Länder, diese Kapazität für jede Schweizer Grenze zu berechnen.
Die unterschiedlichen Auktionen im Überblick
Die verfügbaren Kapazitäten auf den grenzüberschreitenden Leitungen werden durch Swissgrid stufenweise und für verschiedene Zeiträume an die Händler vergeben: es finden jeweils Auktionen ein Jahr, einen Monat und einen Tag (Day Ahead) vor dem eigentlichen Stromaustausch statt. Die restlichen Kapazitäten können die Händler im sogenannten Intraday-Handel erwerben.
Die Vergabe der Kapazitäten ist je nach Grenze und Zeitraum unterschiedlich: In der Jahres-, Monats- und Day-Ahead-Auktion führt Swissgrid an allen Grenzen explizite Auktionen durch. In diesem Fall erwerben die Händler die Übertragungskapazität getrennt vom Energiegeschäft. Diese können die Händler dann innerhalb eines bestimmten Zeitraums nutzen. Die Energie müssen sie separat verkaufen oder kaufen.
Im Intraday-Handel wird an den meisten Schweizer Grenzen das sogenannte explizite «continuous trading» durchgeführt. Die noch verfügbare Kapazität vergeben Swissgrid und der benachbarte Übertragungsnetzbetreiber in einem «first-come-first-served»-Verfahren und muss nicht bezahlt werden. An der Grenze zwischen der Schweiz und Italien führen Swissgrid und die italienische Übertragungsnetzbetreiberin Terna gemeinsam mit den Strombörsen EPEX SPOT und GME implizite Auktionen durch: die Händler kaufen oder verkaufen dabei die Energie in ihrem jeweiligen Heimmarkt, ein separater Erwerb der Kapazität ist nicht notwendig. Die Börsen sind dann verantwortlich für die Abwicklung des Energiegeschäfts und damit einen allfälligen Energieaustausch über die Grenze.
Im Engpassmanagement arbeitet Swissgrid eng mit den Netzbetreibern der Nachbarländer zusammen. Nur gemeinsam ist es möglich, dem Handel grösstmögliche Kapazitäten zur Verfügung zu stellen und gleichzeitig einen sicheren Netzbetrieb in Europa und in der Schweiz zu gewährleisten. So werden die NTC-Werte für die grenzüberschreitenden Leitungen jeweils zusammen festgelegt. Die expliziten Auktionen führt das Joint Allocation Office (JAO S.A.) durch, an dem Swissgrid und mehrere weitere Übertragungsnetzbetreiber beteiligt sind.
Aufgrund des fehlenden Stromabkommens kann Swissgrid bei den gekoppelten Strommärkten in Europa nicht vollberechtigt mitwirken und ist damit auch nicht Teil der Kapazitätsberechnungsregionen (Capacity Calculation Regions). Die beteiligten Übertragungsnetzbetreiber führen eine über die gesamte Region koordinierte Berechnung der grenzüberschreitenden Kapazität durch. Der grenzüberschreitende Handel erfolgt nur mittels impliziter Auktionen. Swissgrid setzt sich auf europäischer Ebene dafür ein, dass die Schweiz bei den europäischen Koordinationsprozessen mitwirken kann, die für die Systemsicherheit unverzichtbar sind.