2019 Bassecourt – Mühleberg Netz

Mühleberg geht vom Netz

Die Abschaltung des Kernkraftwerks hat Auswirkungen auf das Übertragungsnetz

Autor: Kaspar Haffner


Am 20. Dezember fährt die BKW das Kernkraftwerk Mühleberg herunter. Für immer, denn das Kraftwerk wird abgeschaltet und zurückgebaut. Damit fällt im Mittelland eine Stromproduktion von rund 370 Megawatt weg. Das hat Auswirkungen auf das Schweizer Übertragungsnetz. Welche das sind und welche Herausforderungen sich Swissgrid stellen, erklärt Maurice Dierick, Mitglied der Geschäftsleitung und Leiter Market, im Interview.

Maurice Dierick, Leiter Market und Mitglied der Geschäftsleitung
Maurice Dierick, Leiter Market und Mitglied der Geschäftsleitung

Maurice Dierick, werden in Bern die Lichter ausgehen, wenn am 20. Dezember das Kernkraftwerk Mühleberg vom Netz geht?

Maurice Dierick: Nein, es werden keine Lichter ausgehen. Der Abschalttermin von Mühleberg ist seit Frühling 2016 definitiv bekannt. Die BKW ist sehr gut vorbereitet und wird den Grossraum Bern mit der nötigen Menge Strom versorgen. Wir arbeiten da sehr eng zusammen. Swissgrid hat im Strategischen Netz 2025 den Wegfall des Kernkraftwerks Mühleberg berücksichtigt.

Inwiefern betrifft die Abschaltung des Kernkraftwerks Mühleberg Swissgrid als Übertragungsnetzbetreiberin überhaupt?

Wenn das Kernkraftwerk Mühleberg abgeschaltet wird, fällt eine Produktion von rund 370 Megawatt weg. Das ist zwar nur ein kleiner Teil der gesamten Energieversorgung, aber er muss ersetzt werden. Das geschieht entweder durch einheimische Produktion oder Importe. Dafür braucht es den Ausbau und die Modernisierung des Übertragungsnetzes. Für uns ist zudem wichtig, dass die Pumpspeicherkraftwerke im Wallis mit genügend Strom versorgt werden können. Denn nachts pumpen diese Kraftwerke Wasser in die höher gelegenen Stauseen und funktionieren so als riesige Batterien in den Alpen. Durch den Wegfall der Energieproduktion des Kraftwerks Mühleberg muss die notwendige Energie anderweitig beschafft und über längere Strecken transportiert werden. Und dies hat Auswirkungen auf die Lastflüsse im Übertragungsnetz.

Mit dem Wegfall von Mühleberg erhöht sich die Importabhängigkeit der Schweiz.

Maurice Dierick, Leiter Market

 
Wo stellen sich Swissgrid die grössten Herausforderungen?

Mit dem Wegfall von Mühleberg erhöht sich die Importabhängigkeit der Schweiz. Gerade im Winter sind wir auf Strom aus dem Ausland angewiesen, da die Produktion in der Schweiz den Verbrauch nicht decken kann. Um die Versorgungssicherheit mittelfristig zu gewährleisten, muss Swissgrid die Importkapazitäten erhöhen. Deshalb planen wir den Ausbau der bestehenden Leitung zwischen den Unterwerken Bassecourt im Jura und Mühleberg von 220 auf 380 Kilovolt. Im Unterwerk Mühleberg ist deshalb der Bau eines neuen Transformators geplant. Mit der Leitung transportieren wir den Strom. Der Transformator dient dessen Umwandlung zwischen dem 380- und dem 220-Kilovolt-Netz. Er verbindet also die sechsspurige mit der vierspurigen Autobahn im Höchstspannungsnetz.

Mühleberg ist ein wichtiger Netzknoten
Mühleberg ist ein wichtiger Netzknoten

Was ist der Stand dieser Projekte?

Nach der angespannten Netz- und Energiesituation im Winter 2015/2016 hat Swissgrid einige ihrer Netzprojekte neu priorisiert. Darunter fällt auch die Spannungserhöhung der Leitung Bassecourt – Mühleberg. Mit dem Bau des Transformators haben wir bereits begonnen. Die Arbeiten werden im nächsten Jahr abgeschlossen werden. Das Leitungsprojekt wurde vom Bundesamt für Energie bewilligt. Aber Einsprachen beim Bundesverwaltungsgericht verzögern den Baustart.

Ist die Versorgung im Grossraum Bern und Mittelland trotzdem sichergestellt?

Ja. Bei der normalen Versorgungslage rechnen wir mit einer grundsätzlich stabilen und unkritischen Netzsituation. Sollten kurzfristige Engpässe eintreten, verfügt die Leitstelle von Swissgrid über verschiedene Instrumente zur Stabilisierung des Netzes. Dazu gehören Schalthandlungen, Eingriffe in die Stromproduktion oder Massnahmen am Strommarkt. Mittelfristig brauchen wir aber diese Importkapazitäten für den höheren Energietransport zum Netzknoten Mühleberg.

Die Schweiz verfügt über eines der zuverlässigsten Übertragungsnetze der Welt.

Maurice Dierick, Leiter Market

 
Blicken Sie dem 20. Dezember und den Weihnachtstagen also entspannt entgegen?

Absolut. Die Schweiz verfügt über eines der zuverlässigsten Übertragungsnetze der Welt. Wir sind also bereit und werden das Übertragungsnetz auch in Zukunft und ohne Kernkraftwerk Mühleberg sicher und stabil betreiben. Allerdings müssen dafür die im Strategischen Netz 2025 definierten Netzprojekte ohne weitere Verzögerungen umgesetzt werden können.

Geht vom Netz: Kernkraftwerk Mühleberg (Copyright: BKW)
Geht vom Netz: Kernkraftwerk Mühleberg (Copyright: BKW)

Autor

Kaspar Haffner
Kaspar Haffner

Head of Communication & Stakeholder Management


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