Winter 2023/2024

Die Verantwortung für die Stromversorgungssicherheit ist in der Schweiz auf verschiedene Akteure verteilt. Swissgrid verantwortet als nationale Netzgesellschaft den diskriminierungsfreien, zuverlässigen und leistungsfähigen Betrieb des Übertragungsnetzes. Swissgrid arbeitet eng mit Partnern im In- und Ausland zusammen und setzt alles daran, ihren Beitrag an die sichere und zuverlässige Stromversorgung der Schweiz zu leisten. Die Gewährleistung eines sicheren Netzbetriebs hat für Swissgrid absolute Priorität.

Der Bundesrat hat im Jahr 2022 zur kurzfristigen Erhöhung der Versorgungssicherheit verschiedene Massnahmen erlassen und Swissgrid neue Rollen übertragen. Die Verordnung über die Errichtung einer Stromreserve für den Winter (Winterreserveverordnung, WresV), ist am 15. Februar 2023 in Kraft getreten.

Wasserkraftreserve

Gemäss Verordnung über die Errichtung einer Stromreserve (WResV) hat Swissgrid die von der ElCom vorgegebene Energiemenge im Rahmen eines Ausschreibungsverfahrens beschafft. Swissgrid hat dabei alle Betreiber von Speicherwasserkraftwerken zur Teilnahme zugelassen, die in die Schweizer Regelzone einspeisen und in der Lage sind, ein den Eckwerten entsprechendes Produkt anzubieten. Gemäss Weisung 3/2023 der ElCom («Eckwerte für die Errichtung einer Wasserkraftreserve im hydrologischen Jahr 2023/2024») fand die Beschaffung in gestaffelten Teilausschreibungen im Zeitraum Mai bis September 2023 statt. Die Eidgenössische Elektrizitätskommission ElCom hat die Angebote geprüft und Zuschläge erteilt.

Die drei Auktionen fanden Ende Mai, Anfang Juli und Mitte September statt. Für den Winter 2023/24 wurde eine Gesamtenergiemenge von 400 GWh (2022: 400 GWh) zu einem Durchschnittspreis von 138,67 Euro/MWh (Vorjahr: 739,97 Euro/MWh) beschafft. Die Wasserkraftreserve kostet im laufenden Jahr 81 Prozent weniger als im Vorjahr. Die Kosten für die Reservierung des Wassers werden über die Tarife von Swissgrid finanziert.

Die Wasserkraftreserve sieht vor, dass Speicherkraftwerke gegen Entgelt eine bestimmte Menge Energie zurückbehalten, die bei Bedarf abgerufen werden kann. Mit der Reserve soll eine Phase gegen Ende Winter mit reduzierten Importmöglichkeiten und geringerer Verfügbarkeit inländischer Produktion während weniger Wochen überbrückt werden können.

Die Wasserkraftreserve sieht vor, dass Speicherkraftwerke gegen Entgelt eine bestimmte Menge Energie zurückbehalten.
Die Wasserkraftreserve sieht vor, dass Speicherkraftwerke gegen Entgelt eine bestimmte Menge Energie zurückbehalten.

Der Bundesrat hat Swissgrid die operative Abwicklung der Wasserkraftreserve per Verordnung übertragen. Swissgrid hat damit eine neue Rolle übernommen, die über ihren bisherigen gesetzlichen Auftrag hinausgeht. Konkret stellt Swissgrid die IT-Systeme für die Abwicklung der Auktion und der Abrufe zur Verfügung. Swissgrid definierte und schulte zudem sämtliche Prozesse, führte die Auktionen durch und stellt die finanzielle Abrechnung sicher.

 

Spannungserhöhung

Um Engpässe im Übertragungsnetz zu verhindern, ermöglichte der Bundesrat für den Winter 2022/2023 eine temporäre Erhöhung der Betriebsspannung für die beiden Übertragungsleitungen zwischen Bickigen und Chippis (Gemmileitung) sowie zwischen Bassecourt und Mühleberg von 220 Kilovolt (kV) auf 380 kV.

Die Leitung Bassecourt – Mühleberg kann seit Ende 2023 dauerhaft mit 380 kV betrieben werden. Zur Stärkung der Versorgungssicherheit wurden zudem die bestehenden Transformatorenkapazitäten im Übertragungsnetz in der Region Bern / Jura erweitert.

Das Bauprojekt für eine definitive Spannungserhöhung der Höchstspannungsleitung Bickigen – Chippis (Gemmileitung) ist noch in der Bewilligungsphase. Die Inbetriebnahme ist für 2027 geplant. 2022 bereitete Swissgrid die Leitung technisch für den temporären Betrieb mit 380 kV vor. Auf den Strommasten verlaufen heute zwei 220-kV-Leitungen. Für die temporäre Spannungserhöhung wurden alle Phasen um eine Position versetzt, damit die 220-kV-Leitung auf dem untersten Ausleger liegt. Dafür wurden an vier Strommasten im Bereich der Unterwerke Bickigen, Chippis und Wimmis die Leitungssysteme ausgekreuzt (siehe Infoblatt). Zudem wurden die Leitungseinführungen in die Unterwerke Bickigen und Chippis angepasst. Damit wurden die Auswirkungen auf Menschen und Umwelt möglichst minimiert sowie die Sicherheitsabstände der Leiterseile zum Boden, zu Häusern oder Seilbahnen eingehalten. Ein Testbetrieb im Winter 2022/23 hat deutlich gezeigt, dass Engpässe im Schweizer Übertragungsnetz entlastet und der Energieaustausch im Land sowie grenzüberschreitend verbessert wurde. Eine Bewilligung des Bundes vorausgesetzt kann Swissgrid im Winter 2023/24 bei Bedarf die Leitung zur Sicherstellung der netzseitigen Versorgungssicherheit temporär mit 380 kV betreiben.

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Netzanschluss des Reservekraftwerks in Birr

Auf dem Betriebsgelände von General Electric (GE) in Birr (AG) wurden acht modulare, mobile Gasturbinen mit je ca. 30 Megawatt Leistung, insgesamt knapp 250 MW, installiert. Die Turbinen können mit verschiedenen gasförmigen und flüssigen Brennstoffen betrieben werden. Den Einsatz dieser Reservekraftwerke hat der Bundesrat in einer Verordnung geregelt. Der Abruf erfolgt durch Swissgrid. Nebst dem Netzanschluss für das Reservekraftwerk in Birr ist Swissgrid für den Abruf der Reservekraftwerke in Monthey und Cornaux verantwortlich. Diese Energiereserven können in ausserordentlichen Knappheitssituationen bis Ende April 2026 bei Bedarf eingesetzt werden.

Ein Netzanschluss in Rekordtempo

Um die Energie aus den mobilen Gasturbinen über das 220-kV-Unterwerk in Birr ins Übertragungsnetz einzuspeisen, musste Swissgrid einen neuen Netzanschluss erstellen. Der Netzanschluss für das Reservekraftwerk Birr steht seit dem 24. Februar 2023 nach nur gerade sechs Monaten Bauzeit bereit. Normalerweise dauert dies mehrere Jahre. Ein solches Projekt unter Hochdruck in nur wenigen Monaten umzusetzen, stellte eine enorme Herausforderung an das Projektteam, die beauftragten Lieferanten und Dienstleister dar.


Regelenergie für einen sicheren Netzbetrieb

Strom kann im Übertragungsnetz nicht gespeichert werden, somit müssen die Stromeinspeisung und die -ausspeisung immer gleich hoch sein. Dies bedeutet, dass die Produktion und der Verbrauch von Energie stets im Gleichgewicht sein müssen. Dieses Gleichgewicht gewährleistet den sicheren und stabilen Betrieb des Netzes bei einer konstanten Frequenz von 50 Hertz. Bei unvorhergesehenen Schwankungen setzen die Operateure in den Netzleitstellen Regelenergie ein. Diese stellt eine Reserve dar, die die Kraftwerke für Swissgrid vorhalten und die bei Bedarf abgerufen werden kann. Entweder erhöhen oder senken die Kraftwerke kurzfristig ihre Leistung und kompensieren damit die fehlende oder die überschüssige elektrische Energie. Auch wenn Strom im Winter 2023/24 knapp werden sollte, muss Swissgrid über genügend Regelleistung verfügen können. Deshalb wurden zur Absicherung für den Winter bereits frühzeitig Beschaffungen durchgeführt.

Die Mitarbeitenden der beiden Leitstellen in Aarau und Prilly überwachen das Schweizer Übertragungsnetz rund um die Uhr.

Notstromgruppen

Der Einsatz von Notstromgruppen als zusätzliche Reserve für den kommenden Winter wurde in der Winterreserveverordnung konkretisiert. Swissgrid kommt wie bei der Wasserkraftreserve die operative Abwicklung zu.

Der Bund hat mit Axpo, BKW und CKW Verträge mit einer Laufzeit von vier Jahren unterzeichnet, die eine Vertragssumme von insgesamt einer Million Franken vorsehen. Ziel ist, Notstromgruppen mit einer Leistung von insgesamt rund 280 MW zu kontrahieren.

Als Pooler von Notstromaggregaten sind diese drei Unternehmen somit beauftragt, ein nationales virtuelles Reservekraftwerk aus Notstromaggregaten aufzubauen, die von ihren Besitzerinnen und Besitzern freiwillig gegen eine Entschädigung zur Verfügung gestellt werden. Diese können sich ab sofort bei den drei Poolern anmelden.


Vernetzung mit Europa

Das Schweizer Übertragungsnetz ist Teil des kontinentaleuropäischen Verbundnetzes und mit 41 grenzüberschreitenden Leitungen mit dem Ausland verbunden. Die enge Vermaschung des Stromsystems und die bisherige Zusammenarbeit mit den europäischen Partnern trägt massgeblich zur Versorgungssicherheit der Schweiz bei. Auch im Hinblick auf den Winter 2023/24 ist eine enge Zusammenarbeit mit den Partnern in Europa von grösster Wichtigkeit für die Systemsicherheit in der Schweiz und in den europäischen Nachbarländern. Stromautarkie würde das Risiko für eine Strommangellage nicht entschärfen.

Die enge Zusammenarbeit mit den europäischen Partnern benötigt eine politische bzw. zwischenstaatliche Lösung.

Eine Insellösung würde sowohl den sicheren Netzbetrieb als auch die Versorgungssicherheit gefährden. Der Gesetzgeber hat der Wichtigkeit der Vernetzung mit Europa im Stromversorgungsgesetz Rechnung getragen. Die Zusammenarbeit mit den europäischen Übertragungsnetzbetreibern und die Sicherstellung der ausreichenden internationalen Vernetzung des Schweizer Übertragungsnetzes ist ein expliziter gesetzlicher Auftrag von Swissgrid (Art. 20, Abs. 2, Ziff. f. StromVG).

Die enge Zusammenarbeit mit den europäischen Partnern benötigt eine politische bzw. zwischenstaatliche Lösung. Nur eine solche schafft einen stabilen Rahmen für eine langfristig gesicherte Zusammenarbeit mit der EU und damit für eine hohe Versorgungssicherheit der Schweiz.


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